Der Koalitionsvertrag … oder wie die Regierung die Überwachung ausbaut

Der Koalitionsvertrag, den CDU, CSU und SPD beschlossen haben, gibt in mehreren Punkten Grund zur Sorge.
In diesem Beitrag möchte ich das Thema Überwachung aufgreifen.

1984

Das, was im Koalitionsvertrag steht, gleicht dem eines Überwachungsstaates – man fühlt sich an das Buch 1984 von George Orwell erinnert:

  • Vorratsdatenspeicherung: Es sollen ausnahmslos alle IP-Adressen und Port-Nummern für drei Monate gespeichert werden.

  • „Staatstrojaner“: Der Einsatz dieser staatlich entwickelten Spionagesoftware soll weiter ausgebaut werden. Sie kann unbemerkt auf Smartphones, Tablets oder Computern – unabhängig vom Betriebssystem – installiert werden. Damit wird die Kommunikation bereits vor der Verschlüsselung abgefangen (Stichwort: Quellen-TKÜ).
    Auch die Bundespolizei soll künftig bei schweren Straftaten auf diese Software zugreifen und zusätzlich auch aktiv hacken dürfen.
    Doch wer definiert, was „schwer“ heißt? In Zeiten, in denen Hausdurchsuchungen wegen Beleidigungen von Politikern keine Seltenheit mehr sind, könnte die Hürde für „schwere Straftaten“ sehr niedrig angesetzt werden!

  • Biometrische Überwachung: Der Ausbau der „biometrischen Internetfahndung“ ist geplant. Ermittler könnten künftig mithilfe von KI und Gesichtserkennung das Internet nach gesuchten Personen durchsuchen – zum Beispiel durch den Abgleich von Fotos und Videos.
    Auch außerhalb des Internets soll überwacht werden: Geplant ist eine „retrograde biometrische Fernidentifizierung“. Diese soll an Kriminalitätsschwerpunkten wie Bahnhöfen oder Flughäfen eingesetzt werden.
    Das bedeutet konkret: Kameras filmen dauerhaft, während eine Gesichtserkennung im Hintergrund prüft, ob jemand auf einer Fahndungsliste steht.
    Dass dies auch große (Missbrauchs-)Gefahren birgt, muss ich, denke ich, nicht extra betonen…

  • Rasterfahndung: „Palantir“ heißt die Software eines US-Unternehmens, die künftig möglichst bundesweit eingesetzt werden soll. Sie kann Zusammenhänge zwischen Informationen aus verschiedenen Datenbanken herstellen – auch solche, die menschlichen Ermittlern nie auffallen würden – und das in sehr kurzer Zeit.
    Die bayerische und die hessische Polizei nutzen diese Software bereits.

  • Automatische Kennzeichenscanner sollen Fahrzeugdaten erfassen.
    Übrigens. Unabhängig davon:  In Rheinland-Pfalz kommen nun die ersten „Handy-Blitzer“ zum Einsatz. Diese erfassen Fahrer und Kennzeichen – eine KI erledigt dann den Rest…

  • Menschen mit „psychischen Auffälligkeiten“ sollen hinsichtlich ihres Gewaltrisikopotenzials untersucht werden. Doch wer legt fest, was eine psychische Auffälligkeit ist – und wie wird das Risiko bewertet? Auch hier könnte eine KI zum Einsatz kommen.
    Wenn diese – oder menschliche Ermittler – dann zu dem Schluss kommen, dass vielleicht ein Gewaltpotenzial besteht: Was passiert dann? Werden Menschen vorsorglich weggesperrt?

  • Geheimdienste sollen mehr Daten miteinander austauschen dürfen – gleichzeitig soll die Kontrolle dieser Dienste reduziert werden …

Diese Liste ist nicht vollständig, aber es ist absehbar, wohin der Weg führt: zu mehr Überwachung!
Da kann noch so oft die Bekämpfung von Verbrechen, Terror oder „sonstwas“ angeführt werden – das ändert nichts an dieser Entwicklung.

Wo wir gerade dabei sind: Es deutet sich an, dass eine verpflichtende digitale Identität bald Realität wird. Diese soll jeder ein Leben lang behalten – und z. B. bei der Anmeldung in sozialen Medien verpflichtend angeben müssen.
Das macht es für den Staat einfacher: Er muss nicht mehr erst die IP-Adresse anfordern, um herauszufinden, wer den Staat kritisiert hat…

Der Chaos Computer Club fordert in einem Beitrag vom 10. April dazu auf, die Notbremse für diesen Überwachungskatalog zu ziehen. Der CCC bezeichnet dies als Diktaturbesteck – dem ist nichts hinzuzufügen.